S. Mumenthaler u.a. (Hrsg.): Letzte Insel vor der Autobahn

Cover
Titel
Letzte Insel vor der Autobahn. Peter Burkharts Mühle Hunziken


Herausgeber
Mumenthaler, Samuel; Siegrist, Dänu (Hrsg.)
Erschienen
Basel 2015: Zytglogge Verlag
Anzahl Seiten
240 S.
von
Simon Schweizer

Zum ersten Todestag von Peter Burkhart erschien im Dezember 2015 ein Buch über seine Mühle Hunziken, den legendären Kulturort in Rubigen. Samuel Mumenthalers und Dänu Siegrists Letzte Insel vor der Autobahn zollt den Anfängen und den fast 40 Jahren der Ära Burkhart in der Kulturmühle Tribut. Ihre Texte rahmen die Gastbeiträge bekannter Wegbegleiter Burkharts ein und liefern den kulturellen und historischen Kontext. Hinzu kommen eine ausführliche Materialsammlung mit vielen, teilweise unveröffentlichten Konzertfotografien, Plakaten, Presseberichten und Künstlerzitaten sowie eine akribische Zusammenstellung der Tausenden von Veran staltungen von 1980 bis 2011 und eine Liste aller in der Mühle Hunziken aufgenommenen Live-Platten.

Letzte Insel vor der Autobahn ist chronologisch aufgebaut und setzt einen ersten Fokus auf die Anfangsjahre und die Vorgeschichten sowohl der Getreidemühle als auch Peter Burkharts. Hier findet sich das einzige schriftliche Selbstzeugnis, seinen Antrag auf Entlassung aus dem Zivilschutz, den er 1985 an die Zivilschutzstelle Rubigen schrieb und der «die Geschichte des ehemaligen Wehrmannes Peter Burkhart» erzählt.

Im Anschluss mischen sich eine fast vollständige Konzertliste mit zeitgenössischen Konzertkritiken sowie Erinnerungsfetzen von Künstlern und Künstlerinnen. So erzählt zum Beispiel Polo Hofer – der insgesamt 80 Mal in der Mühle auftrat, zwischendurch aber auch neun Jahre Hausverbot hatte – von einem Backstage-Besuch bei seinem Idol, dem grossen amerikanischen Singer-Songwriter Townes Van Zandt. Die Konzertliste ist in drei Teile von jeweils zehn Jahren unterteilt. Unterbrochen bzw. verbunden werden diese Teile durch Beiträge von Bernhard Giger, Dieser ständige Hauch von Rebellion, und von Autor und Kabarettist Bänz Friedli, Narr am eigenen Hof. Über das ganze Buch verteilt, finden sich Fotostrecken zur Mühle und zu ihrem «König». Es folgen noch eine Laudatio auf Peter Burkhart von Timmermahn anlässlich der Verleihung des Kulturpreises der Burgergemeinde Bern 2009 sowie sämtliche Plakate, die Stephan Bundi seit 1985 für die Mühle gestaltet hatte. Abschliessend geht Mumenthaler doch noch auf «das Ende der Ära Burkhart» ein und thematisiert kurz und sachlich den eskalierenden Rechtsstreit und die damit einhergehenden Negativschlagzeilen rund um die Nachfolgeregelung.

Die Herausgeber setzten bei der Erarbeitung des Buchs bewusst auf eine Aussensicht. Die Familie Burkhart und die neue Mühleleitung wurden nicht in das Buchprojekt eingebunden und kommen auch kaum zu Wort. Dafür dürfen einige Freunde in Erinnerungen an die spannende und zwiespältige Persönlichkeit des «Mühli-Pesches» schwelgen. Denn der Titel des Buches täuscht, es geht hier nicht um die Mühle, sondern vor allem um Peter Burkhart selbst, wobei sich beides zugegebenermassen schwer voneinander trennen lässt. «Sag mal, wie war er wirklich?», die erste Frage in Bänz Friedlis Beitrag kann mit diesem Buch jedoch nicht beantwortet werden. Dafür sind die etwa 45 Seiten Text zu knapp und sie kratzen auch nur die Oberfläche. Durch den Blick von aussen verzichteten die Herausgeber auch auf die grosse Menge an Unterlagen und Dokumenten, die Peter Burkhart zeitlebens gesammelt hatte. Mumenthaler hatte anscheinend nur kurzfristig Zugang zu diesen Quellen in der Mühle Hunziken. Unbekannt ist weiterhin, was Burkhart eventuell mit nach Südfrankreich genommen hatte. Das Buch von Mumenthaler und Siegrist liefert dennoch erstmals einen Einblick in die Geschichte des Kulturbetriebs in der Mühle Hunziken und versucht sich gleich zeitig an der Erklärung eines schwer erklärbaren Mannes. Der Versuch ist jedoch kein voller Erfolg. Die Fotografien und die Erinnerungen verheissen mehr, als die kurzen Texte halten können. Was das Buch aber liefert, sind tolles Bildmaterial sowie eine gute Übersicht über die Fülle an Konzerten und anderen Veranstaltungen unter Peter Burkharts Ägide. Es zeigt damit auch Aussenstehenden auf, wie wichtig und aussergewöhnlich diese «letzte Insel vor der Autobahn» war, diese – wie Bänz Friedli sie nennt – «Fata Morgana inmitten der Aaretaler Behäbigkeit». In erster Linie ist es aber ein Buch für die Insider, für die Musiker und Stammgäste, die hier ausreichend Anstoss für ihre eigenen Erinnerungen und Erlebnisse finden.

Insgesamt ist Letzte Insel vor der Autobahn eine scheinbar willkürliche Ansammlung von Geschichten rund um den Gründer und langjährigen Betreiber des Kulturbetriebs in der Mühle Hunziken und eine Materialsammlung, die in einer streng wissenschaftlichen Arbeit in den Anhang gehörte. Trotzdem bleibt das Buch gut lesbar, wenn auch in seinen Aussagen ebenso schwer fassbar, wie es anscheinend Peter Burkharts Persönlichkeit war. Der Beitrag von Bänz Friedli erfasst dieses Dilemma vielleicht noch am besten. Doch diese sieben Seiten zeigen nur auf, was hätte sein können, wenn Friedli wirklich diese Biografie geschrieben hätte, die Burkhart selbst von ihm einforderte. Und Friedli gesteht selbst ein: «Man hätte die Biografie ja gern geschrieben, wäre es bloss eine schönere geworden. Eine versöhnliche.»

Zitierweise:
Simon Schweizer: Rezension zu: Mumenthaler, Samuel; Siegrist, Dänu (Hrsg.): Letzte Insel vor der Autobahn. Peter Burkharts Mühle Hunziken. Basel: Zytglogge Verlag 2015. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 79 Nr. 1, 2017, S. 49-51.

Redaktion
Autor(en)
Beiträger
Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 79 Nr. 1, 2017, S. 49-51.

Weitere Informationen
Klassifikation
Region(en)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit